Ein paar Gedanken zum Pflegenotstand

Schwes­tern­schü­ler Anfang des 20. Jahrhunderts

Neu­lich sprach ich mit mei­nem Sohn Robin über Wege aus dem Pfle­ge­not­stand. Sei­ne Mut­ter ist Pfle­ge­kraft, also sind wir gewis­ser­ma­ßen Betrof­fe­ne. Durch mei­ne Arbeit im Betriebs­rat eines Kran­ken­hau­ses und die damit ver­bun­de­nen, vie­len Gesprä­che habe ich etwas Ein­sicht in die Pro­ble­me gewonnen.

Anders als vie­le anneh­men, ist Geld nicht das pri­mä­re Pro­blem. Pfle­ge­kräf­te auf einer Inten­siv­sta­ti­on ver­die­nen rela­tiv gut, abhän­gig vom Arbeit­ge­ber, vor allem, wenn sie eini­ge Jah­re Berufs­er­fah­rung haben. Bei den Kol­le­gen auf den peri­phe­ren Sta­tio­nen ist sicher mehr Luft nach oben. 

Zwei Din­ge wür­den mei­nes Erach­tens wirk­lich hel­fen, die bis­her über­haupt nicht oder nicht aus­rei­chend the­ma­ti­siert wurden.

Das Berufs­bild muss sich so ändern, dass dem Pfle­ge­be­ruf mehr Ver­ant­wor­tung und mehr Hand­lungs­op­tio­nen über­tra­gen wer­den. Die Aus­bil­dung muss ent­spre­chend ange­passt wer­den, sodass Pfle­ge­kräf­te auf Augen­hö­he mit den behan­deln­den Ärz­ten in der Behand­lung der Pati­en­ten zusam­men­ar­bei­ten kön­nen, wie es in ande­ren Län­dern üblich ist. In man­chen Kli­ni­ken ist das bereits der Fall, aber noch nicht aus­rei­chend. Durch die Auf­wer­tung des Berufs­bil­des wird der Beruf attrak­ti­ver für jun­ge Leu­te, was wie­der­um mit­tel­fris­tig zu mehr Berufs­an­fän­gern führt. Die Rei­hen könn­ten sich so in ein paar Jah­ren wie­der füllen.

Zwei­tens muss man ein­se­hen, dass nicht alle einen Beruf, der kör­per­lich und psy­chisch so anstren­gend ist, bis zum Ren­ten­al­ter aus­üben kön­nen. Im Moment sieht man das beson­ders deut­lich, weil es mehr älte­re Pfle­ge­kräf­te als jun­ge gibt. Das ist Demo­gra­fie und nicht zu ändern. 

Älte­re Pfle­ge­kräf­te berich­ten, dass die Arbeits­tei­lung frü­her bes­ser funk­tio­niert hat als heu­te. Kör­per­lich schwe­re Arbei­ten haben eher die jun­gen Pfle­ge­kräf­te über­nom­men und man konn­te jeman­den dazu rufen, wenn Not am Mann war. Pfle­ge­kräf­te über 50 wur­den viel­fach nicht mehr oder zu weni­ger Nacht­diens­ten her­an­ge­zo­gen, wie es der Arbeits­schutz emp­fiehlt. Das alles ist durch Demo­gra­fie und die knap­pen Beset­zun­gen der Diens­te nicht mehr mög­lich. Hier muss eine Per­spek­ti­ve geschaf­fen wer­den, die es erlaubt, frü­her aus­zu­stei­gen oder in weni­ger belas­ten­de Tätig­kei­ten zu wechseln. 

Von Flug­lot­sen und Pilo­ten sind sol­che Model­le bekannt. Bei den Pfle­ge­kräf­ten geht es um ein paar Nasen mehr, hier muss mehr Geld in die gesetz­li­che Alters­si­che­rung flie­ßen (nicht nur in die Taschen der Betrof­fe­nen), um einen frü­he­ren Ein­stieg in die Regel­al­ters­ren­te ohne Abschlä­ge zu ermög­li­chen, denn es gibt nicht für alle Älte­ren weni­ger belas­ten­de Tätig­kei­ten, in die sie wech­seln könn­ten. Selbst vie­le jun­ge Leu­te kön­nen sich heu­te nicht vor­stel­len, den Pfle­ge­be­ruf bis zur Regel­al­ters­gren­ze aus­zu­üben. Unter der Belas­tung redu­zie­ren vie­le ihren Arbeits­zeit­an­teil und gehen mit weni­ger Geld nach Hau­se — und da geht es nicht um die viel beschwo­re­ne Work-Life-Balan­ce! Das Licht am Ende des Tun­nels ist ein­fach zu weit weg.