Krieg in der Ukraine — geht er nie zu Ende?

Kyiv — Foto: Jor­ge Franganillo

Ein gerech­ter Frie­den, aus dem alle Par­tei­en erho­be­nen Haup­tes her­vor­ge­hen und der abso­lu­te Ver­zicht auf Gewalt zur Durch­set­zung von Gebiets­an­sprü­chen könn­te dazu füh­ren, dass auch Ukrai­ne und Russ­land sich am Ende des Kon­flikts die Hän­de rei­chen. Ja, das ist vor­stell­bar, trotz aller Ver­let­zun­gen und Opfer, die die Ukrai­ne erdul­den muss­te, und trotz des Wun­sches nach Ver­gel­tung für die rus­si­schen Sol­da­ten, die in die­sem Krieg gefal­len sind, den die Ver­wand­ten der rus­si­schen Gefal­le­nen zwar irra­tio­nal, aber trotz­dem irgend­wie ver­ständ­lich hegen.

Lei­der gibt es Kriegs­trei­ber wie den ukrai­ni­schen Bot­schaf­ter in Deutsch­land, der genüss­lich ver­kün­det, dass die Ukrai­ne sich auch nach einem Frie­dens­schluss natür­lich die Krim zurück­ho­len wür­de, sobald Russ­land irgend­wie Schwä­che zeigt.

Aller­dings hat auch Deutsch­land 25 Jah­re gebraucht, um zu akzep­tie­ren, dass die Gebie­te „jen­seits von Oder und Nei­ße” nie wie­der Teil eines deut­schen Staa­tes wer­den. (Natür­lich hat­te Deutsch­land die­se Gebie­te in einem von ihm ange­zet­tel­ten Angriffs­krieg ver­lo­ren, gerech­ter­wei­se sozu­sa­gen, wäh­rend der Don­baz und die Krim der Ukrai­ne durch einen Angriff auf ihrem eige­nen Ter­ri­to­ri­um rechts­wid­rig weg­ge­nom­men wur­den, wodurch der Ver­gleich hinkt).

Versöhnung mit Putin?

Putin ver­ei­nigt das rus­si­sche Volk hin­ter sich (und auch vie­le Rus­sen und ande­re Men­schen im Aus­land) durch sein Nar­ra­tiv, Russ­land stän­de allei­ne gegen den Rest der Welt, nur aus dem einen Grund, weil der Wes­ten Russ­land wirt­schaft­lich und mili­tä­risch ver­nich­ten und unter­wer­fen will. 

Dage­gen steht das Nar­ra­tiv des Wes­tens, dass man nicht gegen Russ­land kämpft, son­dern einer befreun­de­ten Nati­on hilft, die von Russ­land unrecht­mä­ßig auf dem eige­nen Ter­ri­to­ri­um ange­grif­fen wur­de. Die­se Begrün­dung für alle Hil­fe des Wes­tens für die Ukrai­ne wird lei­der nicht im Ent­fern­tes­ten so ein­stim­mig vor­ge­bracht wie die rus­si­sche Pro­pa­gan­da. Das scha­det ihrer Glaubwürdigkeit.

Der ers­te Schritt von die­sem Weg war bereits mit dem Satz des ame­ri­ka­ni­schen Prä­si­den­ten Biden gemacht, der auf Putin gemünzt sag­te „Um Got­tes wil­len, die­ser Mann kann nicht an der Macht blei­ben.“ Lei­der füg­te er nicht hin­zu „… wenn es zwi­schen Russ­land und Ukrai­ne Frie­den geben soll”, was das eigent­li­che Ziel des Bei­stands für die Ukrai­ne wie­der in den Mit­tel­punkt gerückt hät­te. Auf die­se Wei­se ent­stand der Ein­druck, die Ame­ri­ka­ner ver­folg­ten eine Desta­bi­li­sie­rung Russ­lands und den Sturz sei­ner Admi­nis­tra­ti­on mit Wirt­schafts­sank­tio­nen und durch die Ver­län­ge­rung des Ukrai­ne­kriegs als pri­mä­res Ziel, um … ja spä­tes­tens hier muss man sich ja fra­gen, wel­chen Grund die Ame­ri­ka­ner dazu haben soll­ten, außer einem tief ver­wur­zel­ten Hass gegen alles, das aus dem Osten kommt (außer chi­ne­si­schen T‑Shirts).

Als Nächs­tes sag­te der unglück­li­che ame­ri­ka­ni­sche Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Aus­tin, die Ukrai­ne kön­ne gewin­nen, „wenn sie die rich­ti­ge Aus­rüs­tung und die rich­ti­ge Unter­stüt­zung“ habe. Gewin­nen und Russ­land unter­wer­fen — hat er das gemeint? Das ist absurd, wird aber natür­lich ger­ne als Bedro­hungs­sze­na­rio zur Recht­fer­ti­gung der immer dras­ti­sche­ren rus­si­schen Kriegs­füh­rung aufgegriffen. 

Zwar ist Aus­tin nur Verteidigungs‑, nicht Außen­mi­nis­ter, aber etwas Nach­den­ken über ein Ende des Krie­ges hät­te auch ihm nicht gescha­det, bevor er sich öffent­lich äußert. Dann hät­te er gewusst, dass eine Rück­kehr zum Sta­tus quo ante, den Gren­zen vom 23. Febru­ar 2022 bei einer ein­ver­nehm­li­chen Rege­lung über die Admi­nis­tra­ti­on der Gebie­te unter rus­si­scher Besat­zung und ein Kor­ri­dor unter rus­si­scher Hoheit zwi­schen Don­baz und Krim (der fast zwin­gend die Stadt Mariu­pol ein­schließt) rea­lis­tisch das Bes­te ist, das eine Frie­dens­lö­sung errei­chen könnte.

Wir müs­sen uns gegen die Kräf­te weh­ren, die sich die Zer­stö­rung Russ­lands auf die Fah­nen schrei­ben, vor allem dann, wenn sie es als offi­zi­el­le Hal­tung einer Regie­rung zum Aus­druck brin­gen, wie es in den USA, Groß­bri­tan­ni­en und lei­der auch gele­gent­lich auf ukrai­ni­scher Sei­te passiert. 

Eine Erb­feind­schaft, wie sie zu Kai­ser­zei­ten zwi­schen Deutsch­land und Frank­reich gepflegt wur­de, um damit bei jeder pas­sen­den Gele­gen­heit einen Krieg vom Zaun zu bre­chen, ist ana­chro­nis­tisch, nicht nur, weil Krie­ge heu­te gefähr­li­cher sind als je zuvor, son­dern auch, weil sie kei­nen Raum für die Been­di­gung der Feind­se­lig­kei­ten lassen.