Heimreise Frankreich Deutschland September 1978

End­lich kön­nen mei­ne Schwes­ter und ich die futu­ris­ti­schen roten Schlaf­sä­cke aus irgend­ei­nem voll­syn­the­ti­schen High-Tech-Mate­ri­al genie­ßen, denn die Näch­te wer­den jetzt selbst in Süd­frank­reich schon herbst­lich kühl, der Okto­ber steht vor der Tür.

Das Motor­ge­räusch vom Bus darf man sich von drau­ßen gar nicht anhö­ren, alles quietscht, zischt, zwit­schert und spotzt. Ent­spre­chend ist die von ursprüng­lich 55 PS übrig­ge­blie­be­ne Leis­tung. Ein biss­chen Angst hat wohl jeder, das bra­ve Gefährt könn­te auf der letz­ten Etap­pe noch schlapp­ma­chen. Zu Hau­se erklärt Robert ein paar Tage spä­ter, der Wagen wäre wie neu, nach­dem er die Ven­ti­le ein­ge­stellt hät­te. Mit einem ande­ren Besit­zer ist der Bus spä­ter noch ein­mal auf gro­ße Tour gegan­gen, Rich­tung Fern­ost. Unglück­li­cher­wei­se hat er dann aber sei­ne Tage zer­legt in Ein­zel­tei­len auf einem tür­ki­schen Zoll­hof been­det, weil auf der Rück­fahrt Dro­gen dar­in ent­deckt wurden.

Alle freu­en sich jetzt auf zu Hau­se, ich ja auch, aber biss­chen trau­rig bin ich auch, weil es hier in Süd­frank­reich zu schön ist, um ein­fach weg­zu­fah­ren. Es ist eine rich­ti­ges Idyll, von dem wir jetzt Abschied neh­men und wei­ter rei­sen, zurück nach Deutsch­land, nach Ber­lin, wo wir vor unge­fähr zwei Mona­ten auf­ge­bro­chen sind.

Robert hat sei­ne Rou­ten im Kopf, wir fah­ren über Luxem­burg. In Was­ser­bil­lig zerrt der deut­sche Zoll den gan­zen Bus aus­ein­an­der, alle Fel­le, Kla­mot­ten, Web­tep­pi­che und ande­re Rei­se­an­denken wer­den kri­tisch beäugt. Ein unvor­sich­ti­ger Zoll­be­am­ter will einen Blick in mein Rei­se­ne­ces­saire wer­fen, da ist die Ekel­gren­ze erreicht und wir dür­fen ein­rei­sen in die Bun­des­re­pu­blik Deutschland.

Ein paar Stun­den wei­ter schla­gen wir das letz­te Nacht­la­ger in einem Wein­berg auf. Wir bau­en unser Zelt auf wie jedes Mal, Robert, Gun­ne und a schla­fen im Bus. Die Nacht wird rich­tig kalt. Als wir am nächs­ten Mor­gen auf­wa­chen und aus dem Zelt schau­en, sind alle Fens­ter­schei­ben am Bus von innen beschla­gen. Die Bus­schlä­fer haben alle Flam­men vom Gas­herd auf­ge­dreht und die Nacht über bren­nen las­sen. Rei­ner Zufall, dass sie dabei nicht erstickt sind. Schön warm ist es aber drinnen.

Wir sind jetzt in Deutsch­land und rei­sen wei­ter nach Osten. Waren wir in der legen­dä­ren Piz­ze­ria an der Auto­bahn in Als­feld (Hes­sen)? Auf eini­gen Rei­sen mit Gun­ne und Robert sind wir dort ein­ge­kehrt, aber ich erin­ne­re mich nicht mehr genau, ob wir das bei die­ser Gele­gen­heit auch getan haben. Dann geht es steil berg­auf, Rich­tung DDR-Gren­ze Eisen­ach. Wie­der ein Berg, an dem der Bus fast ver­reckt, mit 30, 40 km/h die Auto­bahn ent­lang kriecht. Ein LKW nach dem ande­ren über­holt uns.

In Ber­lin ange­kom­men, zer­streu­en wir uns in alle Win­de, haben ein­an­der lan­ge genug genos­sen. Gun­ne geht von da an auf sei­ne eige­nen Rei­sen, ohne den Rest der Mann­schaft. Agi zieht in die WG mei­ner Schwes­ter. Bis ich eine von bei­den wie­der sehe, ver­geht eini­ge Zeit. Gun­ne sehe ich jeden Tag, weil wir in der glei­chen WG woh­nen — genau genom­men sind wir die WG.

Was für eine Rei­se­ge­sell­schaft! Man­che kann­te ich bes­ser, ande­re weni­ger gut. Trotz der gan­zen gemein­sa­men Erleb­nis­se hat uns die­se Rei­se eigent­lich nicht näher zusam­men­ge­bracht. Wie die ande­ren die Zeit wohl erlebt haben? Viel­leicht war es für man­che ein Alb­traum. Roberts Ex, die Gaby, die aus Athen nach Ber­lin zurück flog, sah ein, dass sie Robert nicht zurück­be­kommt und hei­ra­te­te einen Süd­län­der. Mit Agi war ich immer mal wie­der zusam­men, dann wie­der nicht, bis sie ans Thea­ter in Kas­sel ging und sich unse­re Wege end­gül­tig trennten.

Ein paar Tage nach­dem wir aus Marok­ko zurück waren, kehr­te ich zurück in die Buch­hand­lung, in der ich vor der Rei­se mei­ne Leh­re abge­schlos­sen hat­te, und arbei­te­te dort noch eini­ge Jah­re. Groß­zü­gi­ger­wei­se hat­te man mir eine Aus­zeit für unse­re Rei­se gewährt.

Mit Robert, der inzwi­schen einen aus­ge­bau­ten Han­o­mag Mata­dor hat­te, und eini­gen ande­ren Freun­den mach­te ich ein paar Jah­re spä­ter im Früh­jahr eine Rei­se nach Ober­ita­li­en. Wie­der war eine Gaby mit von der Par­tie, dies­mal offen­bar die rich­ti­ge. Sie hei­ra­te­te Robert und sie bezo­gen zusam­men einen Rest­hof in Schmerz­ke bei Bran­den­burg (die Mau­er war inzwi­schen gefal­len). Robert wid­met sich dort sei­ner Lei­den­schaft, den Autos.

Inzwi­schen lie­gen die­se Erleb­nis­se ein hal­bes Leben zurück. Unse­re Art zu Rei­sen hat sich geän­dert eben­so wie die Län­der, die wir zusam­men bereist haben. Es ist eine wun­der­ba­re Erin­ne­rung und Erfah­rung. Ich bin dank­bar, dass ich sie hier tei­len darf.